Überaus eindrucksvoll konnte man am Mittwoch im HNF das Vorurteil widerlegt sehen, wonach sich Lehrer viel zu wenig für ihre Schüler engagieren würden! 180 Lehrerinnen und Lehrer aus mehr als 70 Schulen des Kreises Paderborn wollten sich über ein Kooperations-Angebot informieren, das durch die Pisa-Studien besondere Aktualität erhalten hat. Das Kreismedienzentrum hatte alle Schulen der Region zu einer Auftaktveranstaltung eingeladen, bei der neue, computergestützte Möglichkeiten der individuellen Rechtschreib-Förderung vorgestellt wurden. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand der von Prof. Schönweiss und seinem Team an der Universität Münster entwickelte Lernserver, der auf dem Gebiet der Rechtschreibförderung offensichtlich den aktuellen Nerv der Lehrer trifft.
„Endlich werde ich in die Lage versetzt, mir nicht nur ein genaues Bild vom Leistungsstand des einzelnen Schülers machen zu können, sondern bekomme auch die jeweils erforderlichen Fördermaterialien gleich mitgeliefert “, zeigte sich eine Grundschullehrerin begeistert. Und Isabel Kirchhoff vom Berufskolleg Schloss Neuhaus, die sich zusammen mit zwei weiteren Kolleginnen über das Angebot informierte, meinte: „Die gelungene Veranstaltung hat uns motiviert, unsere Rechtschreibförderung wieder verstärkt in Angriff zu nehmen.“
Die Rede ist von einer computergestützten Verzahnung von Diagnose und Förderung, die das Ergebnis einer langjährigen Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist, wie Prof. Schönweiss von der Universität Münster erläuterte.
Konstruktive Antwort auf Pisa
Die Frage, wie es nach all den Vergleichsstudien mit unserem Bildungssystem weitergehen solle, wurde vom Leiter der Abteilung „Neue Technologien im Bildungs- und Sozialwesen/Medienpädagogik“ zunächst etwas provokativ beantwortet: „Unserem Bildungswesen hilft man nicht dadurch auf die Sprünge, wenn das Engagement von Lehrern und enorme Mittel in immer neue Vergleichstests gesteckt werden.“ Bildung lasse sich nicht als DIN-Norm verordnen. Vielmehr sei es wichtig, Schulen und Lehrern konkrete Wege aufzuzeigen, wie sie individuelle Förderung zur Regel machen könnten. „Moderne Bildungsideale wie Selbständigkeit oder Problemlösefähigkeit setzen voraus, dass sich die Kinder wirklich ernst genommen fühlen können.“ Entscheidend sei dabei vor allem auch, „dass die vielfältigen Fehler, die Kinder auf ihrem Weg zur Schrift zwangsläufig produzieren, nicht stigmatisiert, sondern die darin enthaltene Denkleistung anerkannt werden.“
Verzahnung von Diagnose und Förderung
Auf welche Weise das Münsteraner Angebot den Schulalltag bereichern kann, wurde von Philipp Klein, einem offensichtlichen Aktivposten des Münsteraner Teams, ebenso unterhaltsam wie anschaulich demonstriert. Er beschrieb die einzelnen Bausteine des Lernservers und zeigte, wie einfach und zugleich wirkungsvoll eine intelligente Nutzung von Computer und Internet den Schulalltag befruchten können. Die komfortable, computergestützte Diagnose erlaube es dem Lehrer, sich in kürzester Zeit ein genaues Bild vom Leistungsstand der Kinder zu machen. Für Eingabe und Auswertung eines schriftlich durchgeführten Tests müssten nur etwa 5 Minuten je Schüler aufgewendet werden. Auf Knopfdruck könnten dann Leistungsprofil und Fördervorschlag abgerufen werden. Die sich daran anschließende Förderung sei genau auf das betreffende Kind abgestimmt. Die Lehrkräfte erhielten Arbeitsblätter, Lösungen, Förder- und Spielanregungen und könnten so sich optimal der individuellen Förderung widmen.
Im Schulalltag bewährt
Besonders groß war das Interesse der Teilnehmer an den praktischen Erfahrungen, die von drei Lehrern der Johann-Sporck-Realschule aus Delbrück geschildert wurden. Margit Klein skizzierte, wie sich die bereits dreijährige Zusammenarbeit mit dem Lernserver-Team konkret im Schulalltag bewährt hat. Das Lernserver-Konzept wurde inzwischen fest ins Schulprogramm integriert. Was die Lehrer dabei besonders freut, ist die große Motivation der Schüler: „Obwohl der Besuch unseres Förderunterricht auf freiwilliger Basis erfolgt, wollen alle Kinder daran teilnehmen. Sie betrachten ihn nicht als Bestrafung, wie es leider oft der Fall ist, sondern als sinnvolles Angebot zum Ausbau ihrer Rechtschreib-Kompetenzen.“ Auch sei es gelungen, die Förderung der Kinder auf mehrere Schultern zu verteilen. Eine große Rolle würden dabei auch die Eltern spielen, die sich gerne mit in die Förderung ihrer Kinder einbeziehen ließen.
Lernerfolge mit dem Marmeladen-Rap
Auch die Zusammenarbeit zwischen den beteiligten Lehrern hätte sich sehr positiv entwickelt, erläuterte Wibke Lange, die neben Margit Klein und Jochen Welschmeier auf den Rückhalt der Delbrücker Schulleitung, aber auch der Bezirksregierung bauen kann. So habe sich eine schulinterne Arbeitsteilung etabliert, bei der sich die Fachkollegen auf einzelne Rechtschreib-Themen spezialisierten, Aber auch der fächerübergreifende Unterricht kommt nicht zu kurz, wie Wiebke Lange erläuterte. So hätten sich Schüler mit tatkräftiger Unterstützung des Musiklehrers einen Marmeladen-Rap ausgedacht, den sie unter großem Beifall selbst vortrug. Dass Schule auf diese Weise nicht nur Spaß mancht, sondern sich auch die erwünschten Lernerfolge einstellen, belegte Jochen Welschmeier an Hand einer Evaluation der Förderung, an der bislang insgesamt 450 Kinder der Realschule teilnahmen.
Wie geht es weiter? Vernetzung geplant.
Die lebhafte Diskussion, die sich an die Beiträge anschloss, zeigte, wie sehr das Münsteraner Angebot die Paderborner Lehrer ansprach. Dass mit der Veranstaltung im HNF die Zusammenarbeit nicht beendet ist, wird vor allem die etwa 40 Lehrkräfte freuen, die aufgrund des überfüllten Raumes vergebens zum HNF gekommen sind. Für sie wie für interessierte Eltern wird es in naher Zukunft eine größere Informationsveranstaltung geben, bei der die nächsten Schritte der Kooperation vorgestellt werden. Gedacht ist vor allem an eine Vernetzung der beteiligten Schulen hinsichtlich Fortbildung, der Einrichtung von Fördergruppen und gemeinsamer inhaltlicher Fortentwicklung. Auch eine Zusammenarbeit mit dem Paderborner Lehrerausbildungszentrum ist bereits vorgesehen. Dies ist insbesondere für Prof. Schönweiss ein zentrales Anliegen, dem an einer engeren Verzahnung von universitärer Ausbildung und Schulentwicklung gelegen ist.
Da der Lernserver für ihn wie für sein Team kein abgeschlossenes Projekt ist, freute er sich ganz besonders über das Angebot von Isabel Kirchhoff: Sie möchte zusammen mit ihren Kolleginnen vom Berufskolleg Schloss Neuhaus an einer Fortentwicklung des Lernservers für junge Erwachsene mitwirken. „Wir sind bereits gespannt auf die nächsten Schritte, die dieser sehr positiven Informationsveranstaltung folgen werden“, schloss Günther Kröger vom Kreismedienzentrum die Veranstaltung. Er hofft, dass der Ärger derjenigen, die an der Präsentation im HNF wegen des großen Ansturms nicht teilnehmen konnten, bald verfliegt. Schließlich sind alle Interessierten dazu eingeladen, sich bei dieser Initative zu engagieren.
Hier der Link für weitere Infos:http://www.kreis-paderborn.de/bildstelle/avinfo/avinfo04/info2604.htm