Überlegungen zur Normierung
Liebe Förderkräfte, Lehrer, Eltern,
das Messen und Vergleichen von Menschen ist immer problematisch. Gibt es denn überhaupt objektive Maßstäbe, die wirklich dem Alter, der Lebensphase, der Individualität des Einzelnen und seinen Eigenschaften gerecht werden? Gibt es überhaupt „Normalität“? Und wenn ja, was ist das eigentlich genau?
Im Grunde gilt dies auch für den Bereich des Schreiben- und Lesenlernens. Wir finden, dass jedes Kind, jeder Jugendliche, jeder Erwachsene immer dort gefördert werden sollte, wo es jeweils nötig ist. Das Durchschauen und Beherrschen von Sprache und Schrift stellen nun einmal ganz besondere Herausforderungen dar; bei alledem handelt es sich um einen Prozess, der für niemanden ultimativ abgeschlossen ist und der auch nie ein für alle Mal abgehakt sein sollte.
Insofern ist eigentlich niemand anderes als der einzelne, konkrete Lernende die für uns entscheidende Bezugsgröße: Wir sind dabei behilflich, aus den jeweiligen Fehlern tatsächlich lernen zu können – weil wir diese präzise analysieren und die individuell je erforderlichen Schlussfolgerungen daraus ziehen helfen.
Und die Normierung? Über lange Jahre hinweg haben wir unsere Zeit und Kraft lieber in das Voranbringen einer so dringend benötigten Förderdiagnostik gesteckt, als dem Wunsch nach einer Lernserver-Normierung nachzukommen.
Es ist aber ein nachvollziehbares und legitimes Anliegen von Eltern und Lehrern, in Erfahrung zu bringen, wo denn das einzelne Kind genau steht. Gerade mit Blick auf das, was Schule ausmacht und wie maßgeblich hier über Erfolge, aber auch Misserfolge für das ganze spätere Leben entschieden werden kann, ist eine Verortung der Kinder von großer Bedeutung. Wir möchten deshalb mit unserer Normierung dazu beitragen, dass Eltern, Lehrer und Förderkräfte ihrer Verantwortung für die ihnen anvertrauten Kinder nachkommen können. Informationen und konkrete Hinweise darauf, an welchen Punkten welche Kinder noch Unterstützung benötigen, um beim Voranschreiten in Schule und Unterricht nicht auf der Strecke zu bleiben, liefern wir deshalb gerne. Zusammen mit Hilfen und Angeboten, diese Bestandsaufnahme zügig in positive Ergebnisse ummünzen zu können.
Aus aktuellem Anlass oder "Bildung in turbulenten Zeiten":
Für uns ist aber das Einordnen von Kindern in den gegenwärtig herrschenden Leistungs(zu)stand keineswegs der entscheidende Maßstab. Vielmehr ist der Bedarf an Bildung und Qualifikation, den unsere Welt der Berufe einfordert, die entscheidende Bezugsgröße. Das schrittweise Heranführen der Kinder an Sprache und Schrift ist nicht verhandelbar; weder mit Blick auf die Kinder noch auf unsere Gesellschaft. Nicht mehr, aber auch nicht weniger möchten wir mit unseren unterschiedlichen Test- und Förderstufen verfügbar machen. Dies macht nach wie vor die Aussagekraft unserer Normierung aus.
Wir sind also weder als Bildungsforscher noch als Lerntheoretiker und schon gar nicht als "pragmatische Bildungsidealisten" der Auffassung, dass man über Jahrzehnte hinweg gewachsene Lehrpläne holterdipolter einfach außer Kraft setzen könnte – nur weil unsere Zeiten gegenwärtig etwas turbulenter geworden sind. Es geht schließlich auch noch darum, welches Maß an Bildung unsere Gesellschaft tatsächlich benötigt. Daran lässt sich nicht vorbeischwindeln. Insofern führt auch das verbreitete Setzen auf Technik („Digital first!“) komplett in die Irre, ebenso wie das gerade Gegenteil, ihr manchmal schier fanatisches Verteufeln. Was „Bildung in Zeiten des Internet“ heißt, ist zum Glück weder damit abgetan, dass man die Digitalisierung zum absoluten Muss hochjazzt und eine technikaffine Generation kritiklos und diffus zu ihrer Medienkompetenz beglückwünscht noch damit, dass man die schönen neuen Welten als prinzipielle Gefahr für unschuldige Kinderhirne brandmarkt. Technik ist wichtig, aber eben nicht alles.
Sich freilich ihrer vielfältigen Möglichkeiten zu bedienen und neue Wege zu finden, wie der gerade auch in diesen Zeiten immer wichtiger gewordenen Vermittlung von Sprache und Schrift auf die Sprünge zu helfen ist – das ist lohnenswert. Dafür können dann auch das Normieren von Rechtschreib-Leistungen und das Verorten von Schülern hilfreich sein.